20. November 2023

Montagskonzert – The Heart’s Ear

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Robert HP PlatzChapelle (2020) german premiere
for clarinet solo

Liza LimThe Heart’s Ear (1997)
for flute, clarinet and string quartet

Liza LimMicrobiome (2020)
for bass clarinet solo

Harrison BirtwistleAubades and Nocturnes (2003) from The Io Passion
for basset clarinet and string quartet

Carl Rosman, clarinet, curator
Helen Bledsoe, flute
Hannah Weirich, violin
Sara Cubarsi, violin
Barbara Maurer, viola
Dirk Wietheger, violoncello

Programm texts

Robert HP Platz – Chapelle

Seit über 30 Jahren arbeite ich immer mit dem gleichen Material, verschiedenen „Gesten“.

Chapelle gehört zu dem Zyklus Taormina Block, zu dem insgesamt 6 Stücke gehören, die alle autark, also auch einzeln spielbar sind. Im Gegensatz zu meinen Kompositionen zuvor konzentriert sich jedes dieser Stücke auf nur eine einzige „Geste“, anstatt ihr Leben aus einer Vielzahl verschiedener Gesten abzuleiten.

Bei Chapelle ist dies eine eher lieblich gehaltene Grundstimmung: dolce. Das Ineinandergreifen dieser Gesten bei sechs gänzlich verschiedenen, gleichzeitig gespielten Stücken läßt mich an einen scheinbar ungesteuerten inneren Monolog denken, ein permanentes Abschweifen und Wiederzurückfinden der Gedanken: ein verführerischer Gedankendschungel, sinnlich und doch eindeutig auf ein abschließendes Kadenzieren hin entworfen. Vielleicht läßt sich der formale Ablauf in meiner Musik so am Besten beschreiben: als Abbildung des Gedankenflusses, mit allen Abschweifungen, Rückbesinnungen, Gleichzeitigkeiten: eine Traummechanik.

In meinem Taormina Block: Container weitet sich dieser Dschungel in den Raum hinein, wird dreidimensional. Die sechs Einzelstücke umschließen das Publikum, Assoziationen bekommen eine räumliche Zuordnung, fast wird der Konzertsaal zur Projektion des Schädels, unter dessen Decke eine Flut von Assoziationen von einem Gehirnareal zum andern schießt, und wir mitten drin…

…und Chapelle mitten drin: was wäre das Leben ohne seine Süße?

Liza Lim – The Heart’s Ear

The Heart’s Ear ist eine Meditation über ein Fragment einer Sufi-Melodie. Eine Melodie, wie Vogelgesang, der im Inneren des Eies beginnt (Rumi) und sich seinen Weg nach draußen in eine Folge von musikalischen Räumen bahnt. Stille (inneres Hören) und Gesang (Sehnsucht) verflechten sich und fließen durch die Musikinstrumente.

Dieses Werk ist dem Australia Ensemble gewidmet.

Liza Lim – Microbiome

Geschrieben für Carl Rosman, in Freundschaft

“Der Parasit hört nicht auf. Er hört nicht auf zu essen oder zu trinken oder zu schreien oder zu rülpsen oder Tausende von Geräuschen zu machen oder den Raum mit seinem Gewimmel und Lärm zu füllen…”
Michel Serres, Der Parasit (S.253)

Wir Menschen beherbergen eine Vielzahl von Mikroben in und auf unserem Körper – Bakterien, Viren, Pilze und andere Parasiten – und sind von ihnen abhängig. Dem Darmmikrobiom wird eine entscheidende Rolle bei der Regulierung der Immunität zugeschrieben, und es fungiert als eine Art “zweites Gehirn”, das alles von Emotionen bis zum Schlafzyklus beeinflusst. Sowohl nützliche als auch schädliche Mikroben koexistieren in einem dynamischen Fluss, und wir sehen, dass das, was wir als unabhängiges “Ich” betrachten, ein Holobiont (eine ökologische Ansammlung) ist und dass das “Ich” eine multispeziesale, vielstimmige Vielfalt ist.

Harrison Birtwistle – Aubades and Nocturnes

In Harrison Birtwistles Oper The Io Passion (2004) besteht das “Orchester” aus einem Streichquartett und einer Bassettklarinette (bei den ersten Aufführungen war es das Quatuor Diotima und Alan Hacker).

Birtwistles erster Schritt beim Komponieren der Musik bestand darin, eine Reihe von Miniatur-Klarinettenquintetten zu schreiben, die schließlich das Rückgrat der musikalischen Struktur bilden sollten.

Diese Quintette bilden das vorliegende Werk mit dem Titel Aubades and Nocturnes: dreizehn Sätze, einige davon winzig klein, von denen nicht alle schließlich in der Oper erschienen. (Birtwistle hat später eine bescheidenere Auswahl unter dem Titel Nocturnes and Aubades getroffen, die auch einige Zwischenspiele aus der Oper enthält, die in der ursprünglichen Zusammenstellung nicht enthalten waren).

Birtwistles dramatische Werke weisen nur selten einen linearen Handlungsstrang auf, und The Io Passion bildet da keine Ausnahme: Ein einziges Ereignis wird auf der Bühne wiederholt und mit zunehmender Komplexität der Details dargestellt. Die Aubades und Nocturnes folgen einer ähnlichen Strategie, indem sie immer wieder dasselbe musikalische Terrain durchlaufen und sich von ihrem epigrammatischen Anfang allmählich ausweiten.