Toshio Hosokawa – Arc-Song ( 2002/2012)
für Oboe und Harfe
Malika Kishino – Monochromer Garten VI (2015)
für Viola Solo
Hermione Johnson – Shaking in the Garden (2021) Deutsche Erstaufführung
für Oboe und Viola
Younghi Pagh-Paan – schweigend lauschen (2019)
für Englischhorn solo
Toshio Hosokawa – Neben dem Fluss (1982)
für Harfe Solo
Malika Kishino – Nox (Orange and Blue) (2022) Uraufführung
für Oboe und Harfe
Peter Veale, Oboe, Englischhorn und Kurator
Mirjam Schröder, Harfe
Axel Porath, Viola
Die Oboe zeichnet eine bogenartige Klanglinie, als wäre sie der Pinsel, getränkt mit Tinte, einen Strich auf weißem Papier (Schweigen) schreibend. Diese Klanglinie entsteht aus dem Schweigen und kehrt ins Schweigen zurück.
Das Musizieren bedeutet für mich, einen musikalischen Bogen von hier zur anderen Welt (zum Schweigen) zu schlagen.
Das Werk Arc-Song habe ich der Harfenistin Notburga Puskas gewidmet.
Toshio Hosokawa
Monochromer Garten VI ist eine fortlaufende Kammermusikreihe.
In Monochromer Garten konzentriere ich mich auf kleine Besetzungen für 1-3 Musiker. Mit dieser Serie versuche ich, die Eigenschaften und die Ästhetik eines japanischen Gartens und den Prozess seiner Architektur darzustellen.
Eine silberne Welt, Nacht, schwarze, schneebedeckte Kacheln, reflektiertes Licht, Raum, Stille… Ich wollte ein solches Bild des Gartens mit Ton darstellen, als ich durch das Fenster hinter dem Tempel in Kyoto schaute.
Die nächtliche Szene des Gartens war wie ein Tuschebild, ein Kunstwerk in Schwarz und Weiß. Ich fand darin eine Verkörperung der Schönheit, die mich zugleich zum Nachdenken über die Wertschätzung der Schönheit anregte.
Nach Shinichi Hisamatsu (1889-1980), einem japanischen Philosophen und Gelehrten des Zen-Buddhismus, lassen sich die allgemeinen Charakteristika der japanischen kulturellen Ausdrucksformen in der bildenden Kunst anhand von sieben miteinander verbundenen Merkmalen beschreiben:
1) Asymmetrie
2) Einfachheit
3) Äußere Erhabenheit
4) Natürlichkeit
5) Subtile Tiefe
6) Freiheit von Anhaftung
7) Kontemplation
Jede bildende Kunst, auch die Landschaftsarchitektur, besitzt alle diese sieben Eigenschaften, die in ihrer Untrennbarkeit ein vollkommenes Ganzes bilden.
In der Serie Monochromer Garten betrachte ich die Komposition von Musik als Komposition von Landschaftsarchitektur.
Anstelle von Materialien wie Steinen, Wasserspielen, Moos, beschnittenen Bäumen, Sträuchern, Sand und Raum, um einen japanischen Garten zu komponieren, benutze ich Klangmaterialien und Zeit, um mein Werk zu schaffen.
Besonders in meinem Stück Monochromer Garten VI habe ich versucht, die Besonderheiten der von Vincent Royer entwickelten Bratschentechnik hervorzuheben, wie z.B. den Reiz des reichen Holzes, die Mischung von Grundton und Spektrum als Klangmaterial und den Charakter der Improvisation.
Ich wollte mit diesen Materialien ein Universum der Schönheit schaffen und tiefe Reserven meiner Sensibilität erreichen.
Monochromer Garten IV wurde von meinem lieben Freund Vincent Royer in Auftrag gegeben und ist ihm gewidmet.
Malika Kishino
Shaking In The Garden ist die Erinnerung an einen Traum.
Eine quadratische Rasenfläche auf einem abfallenden Hügel, umgeben von einem tropischen Wald mit hoch aufragenden Bäumen.
Man hat das Gefühl, gleichzeitig zu steigen und zu fallen. Alles strebt nach oben. Die Insekten singen laut. Die Luft ist feucht und dick, aber kühl.
Das Stück hat eine grafische Partitur, die Peter Veale und Axel Porath sehr schön zum Leben erweckt haben.
Vielen Dank an Creative NZ für die Finanzierung und an Dylan Lardelli und das Ensemble Musikfabrik für den Auftrag.
Hermine Johnson
Für Heinz Holliger
zum 80. Geburtstag
„Wir bedürfen der Stunden,
in denen wir schweigend lauschen
und das göttliche Wort in uns wirken lassen.“
Edith Stein – Öffne das herz für dein Licht
„Dem Schweigen lauschen“
ist die Spielanweisung im Takt 1 von Toshio Hosokawas Neben dem Fluss. Entstanden im Jahr 1982 greift das erste Solowerk Hosokawas für die Harfe auf eine Szene aus Hesses Siddhartha zurück: Vasudeva sitzt mit Siddhartha am Flussufer. Sie lauschen, schauen ins Wasser, es erscheinen Siddhartha Bilder: sein Vater, sein Sohn. Er hört die klagende Stimme des Flusses „Sehentlich floss er (der Fluss) seinem Ziele zu“. „‘Hörst Du?‘ fragt Vasudeva. […] ‚Höre besser!‘ flüstert Vasudeva“. Diese beiden letzten Zitate des Fährmanns wiederholt Hosokawa wörtlich als Spielanweisung in zahlreichen Fermaten-Pausen in seinem Werk für Harfe.
„Er (Siddartha) war nun ganz Lauscher, ganz ins Zuhören vertieft, ganz leer.“
Eben diesen Weg scheint auch Hosokawa in seiner Musik zu suchen; im Gespräch mit Wolfgang Sparrer äußert er sich folgendermaßen:
Weißt Du, warum wir diese Künste machen? Wir suchen uns selbst, es geht darum, uns von diesem Ichgefühl oder Egoismus zu befreien. […] Wir sagen dō – Weg; […] Wenn ich komponiere, möchte ich irgendwie dieses dō machen – das ist etwas anderes als europäische Künstler wollen.
Für Hosokawa ist ein Ton ebenso Ende einer bereits existierenden Stille wie auch Einleitung und Markierung bzw. Beginn einer folgenden Stille:
Der Klang entsteht aus dem Schweigen und kehrt wieder zum Schweigen zurück.
Langsam baut Hosokawa in Neben dem Fluss sein Tonmaterial für das Werk auf. Die kleinen Formteile bestehen anfangs aus langsamen Wiederholungen eines Tones mit verschiedenen Spieltechniken. Allmählich kommen Töne hinzu und der Ambitus erweitert sich mit jedem kleinen Formteil. Insgesamt ist das Tonmaterial des Werkes sehr einheitlich: Es besteht aus mehreren Tritonus-Schichten und, alle Oktavlagen mitgerechnet, aus 14 Haupttönen, wobei die Töne fis1, c, a1, es die Hauptzentren der kleineren Formabschnitte in der ersten Hälfte bilden. Hosokawa erläutert bei Wolfgang Sparrer, dass er als Japaner nicht wie Europäer funktional hört, sondern dieses erst durch das Hören europäischer Musik „lernt“. Der Tritonus hingegen spielt für ihn eine besondere Rolle. Er wählt sein Tonmaterial so aus, dass in jeder Zelle seiner Musik Yin und Yang enthalten sind: „[d]er Tritonus zum Beispiel, c ist Yin und fis ist Yang“. Zur Mitte hin verdichtet sich das Stück und nach der Hälfte verändert Hosokawa die Kompositionsweise vollständig: Wo vorher noch Raum entstand durch lange Fermaten und Klingenlassen einzelner Töne, füllen jetzt lange Tremoli in Terzintervallen die Zeit aus, bilden ein Crescendo, das in jedem dieser kleinen Teile stärker ausgeprägt sein soll und werden – wie auch schon die kleinen Formteile in der ersten Hälfte – durch Fermaten-Pausen getrennt. Pedalbewegungen während des Tremolos verändern die Töne und schaffen so eine innere Unruhe. Die letzten Takte des Werkes greifen wieder den Anfangston fis1 auf und enden „fragend“ und offen. Im letzten Takt, eine lange Fermaten-Pause, steht die Spielanweisung: „lauschen – auf was?“. Bei Hesse findet Siddhartha eine Antwort auf das, was er vom Fluss gehört hat: In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden.
Wie lassen sich japanische Tradition und westliche Moderne verbinden? Wie kann ein Komponist, der sich immer mehr seiner japanischen Wurzeln bewusst wird, Kompositionen für europäische Ohren schreiben? Wie kann ein Zupfinstrument, dessen Klang schnell verschwindet, lange Klangflächen erzeugen? All diese Fragen lassen sich mit Toshio Hosokawas Musik für Harfe beantworten.
„In meinen Kompositionen verwende ich zum Beispiel europäische Instrumente, möchte aber Klänge erzeugen, die den japanischen Instrumenten ähnlich sind. […] Aber es geht nicht um ein japanisches Instrument oder um japanische Klänge, sondern es geht nur um meine eigenen Klänge.“
Mirjam Schröder
Nox ist eine fortlaufende Nocturne-Serie, die mit Fokus auf die Klangfarbe jedes Instruments und den Kontrast zwischen ihnen komponiert wurde.
Auf Latein bedeutet „Nox“ Nacht. Diese Serie versucht, die Stille der Nacht auszudrücken und betont dabei die Farben, die sich durch musikalische Eindrücke in die nächtliche Szenerie mischen.
Das orangefarbene Leuchten der Stadtlichter und der dunkelblaue Himmel nach dem Sonnenuntergang – diese Kombination ist für mich der europäischste und schön nostalgische Anblick. Die sich ständig ändernden Farbtöne des Nachthimmels während der Dämmerung, zusammen mit dem warmen Orange der Natriumlampen, erschaffen eine harmonische, aber kontrastreiche Szene.
In Nox (Orange and Blue) für Oboe und Harfe kommen zwei Instrumente mit völlig unterschiedlichen Klangfarben und Qualitäten zusammen, um ein einzelnes großes Metainstrument zu bilden. Durch musikalische Gesten wie Bisbigliando, Akkorde/Multiphonics, Glissando und andere erzeugen sie eine reiche Palette von Farben, die sich verweben und allmählich in tiefe Stille versinken.
Nox (Orange and Blue) ist meinen geschätzten Interpreten und Freunden, Herrn Peter Veale und Frau Mirjam Schröder, gewidmet.
Malika Kishino