26. April 2012

“Zeitgenössische Musik war für mich immer ein Rätsel gewesen”

Studio musikFabrik ist ein Jugend-ensemble, bei dem Experimentierfreude und die Lust auf Neue Musik im Vordergrund stehen. Mit der Gründung des Landes-jugendensembles NRW 2006, kam 2009 die Unterstützung der Profis des Ensemble musikFabrik hinzu. Unter der Leitung von Peter Veale, spielt das Jugendensemble nun seit 2011 auf. In freier Besetzung für die Projekte kommen Jugendliche zwischen 14-21 Jahren zusammen, um sich auszuprobieren und die Resultate in Konzerten zu präsentieren.

Clara Boege, ehemalige Flötistin von Studio musikFabrik, schildert im folgenden Text ihre Eindrücke und Erlebnisse mit dem Jugendensemble.

Ich spiele Querflöte und zeitgenössische Musik war für mich immer ein Rätsel gewesen. Willkürlich zusammengewürfelte Töne, komische Geräusche und dissonante Klänge verband ich mit Neuer Musik, bevor ich Teil des Studio musikFabrik werden durfte. Es begann mit der ersten Phase, die unter der Leitung des Ensemble musikFabrik stand und das Ensemble trug noch den unpraktischen Namen Landesjugendensemble für Neue Musik NRW, oder kurz LJNM.

Mit jeder Projektphase wurde mir die Musik gängiger und ich öffnete mich für immer „untypischere“ Spiel- und Notationsweisen. Ein Beispiel, welches mir besonders in Erinnerung blieb, ist Cornelius Cardews Stück Treatise, welches ausschließlich aus Graphiken, sprich Linien und Kreisen, und vereinzelten Zahlen besteht und dem Interpreten viele Möglichkeiten lässt. Anfangs überforderte mich das Stück, jedoch nach und nach fand ich einen Zugang zu der Komposition und hatte großen Spaß daran, die verschiedenen Abbildungen zu interpretieren und zu vertonen. Zusammen im Ensemble entstand so eine unglaubliche Dynamik, da sich alle Ensemblemitglieder immer mehr in das Werk hineinversetzen konnten, was zu einer spannenden Aufführung im kleinen Saal der Tonhalle führte. Zur Erarbeitung der Stücke war die Arbeit mit den Musikern des Ensemble musikFabrik unabdingbar, die mit viel Geduld und Genauigkeit die Stücke erklärten und durchsprachen und auch Einzelproben durchführten.

An der Neuen Musik gefiel mir außerdem die Zusammenarbeit mit den Komponisten. Ein Beispiel dazu ist Carola Bauckholts Stück Treibstoff, welches viele perkussive Effekte und Geräusche enthält. Bauckholt nahm sich die Zeit, sich mit uns hinzusetzen und genau zu erläutern, wie der ein oder andere Klang zu erzeugen ist, bzw. wie man ihn verbessern kann und wie sie sich die jeweilige Stelle vorstellte. Für das ganze Ensemble war das eine große Hilfe und ein tolles Gefühl mit einer Komponistin zusammenzuarbeiten, da hierdurch ein besseres Verständnis des Stückes und, für mich persönlich außerdem, eine engere Bindung mit diesem entstand.
“Gisela!”-Uraufführung Ruhrtriennale 2010

Diesbezüglich war auch die Uraufführung von Hans-Werner Henzes Oper Gisela! im Rahmen der Ruhrtriennale 2010 ein unvergessliches Projekt. Die Atmosphäre auf diesem Industriegelände in Gladbeck, die vielen Beteiligten, Sänger, Mimen, Chor, Organisatoren, Techniker, das waren ganz neue Dimensionen – überragend! In langer Vorarbeit wurde Henzes Stück, mit dem Ensemble musikFabrik erarbeitet und erst beim Zusammentreffen mit dem Chor und den Solisten und schließlich mit den Mimen in der Mehrzweckhalle Gladbeck wurde uns klar, um was für eine große Sache es sich hier handelte! Großes Highlight war dazu das Lob und die Ermutigung, die uns Henze bei einer Probe höchstpersönlich zusprach, was uns alle antrieb, das Beste zu geben.

Schlussendlich kann ich sagen, dass mein Interesse, nicht nur am Musizieren zeitgenössischer Musik, sondern auch am Konzertbesuch, erheblich gestiegen ist und mir nun viele Kompositionen, die ich vorher für „keine Musik“ hielt, zugänglicher wurden. Selbst Neue Musik zu machen, war für mich der Schlüssel zu eben dieser und hat mir ganz neue Betrachtungsweisen zur Musik eröffnet.