Critiques & Ironies

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Saed HaddadCritiques & Ironies (2019)
8 kurze Stücke für Klavier

Benjamin Kobler, Klavier
Janet Sinica, Video
Jan Böyng, Schnitt
Julius Gass, Tonaufnahme/Mischung

1. Tombeau | 2. Intermezzo I | 3. Dark Clowning | 4. Intermezzo II | 5. Arabesque | 6. Elegy | 7. Perpetuum mobile | 8. Abyss

Diese kurzen Stücke wurden als Antwort auf den großzügigen Auftrag der Kölner Philharmonie (KölnMusik) im Rahmen des Non-Beethoven-Projekts 2020 komponiert. Mir wurde eine Sammlung von Phrasen vorgelegt, die Beethoven mitgeteilt wurden; Beethovens Antwort auf diese Phrasen ist uns jedoch unbekannt. Ich wurde gebeten, ein Stück zu komponieren, das von Beethovens möglicher Antwort oder seinem Kommentar inspiriert ist, ohne Beethovens Stil(e) zu zitieren oder zu imitieren.

Die beiden Beethoven überlieferten Sätze, die ich in meinen Klavierstücken kommentiere, lauten:

  1. „Wir proben immer nur Ihre Quartette; die Haydnschen u. Mozartschen nicht, sie gehen ohne Probe besser“
  2. „Die Welt hat ihre Unschuld verloren und ohne Unschuld schafft und genießt man kein Kunstwerk. Die Lösung unserer Tage ist Kritik…“

Der erste Satz berührt die Satire und die Ironie; Ironie findet sich in vielen von Beethovens Kompositionen (wie auch in meiner eigenen). In der Tat ist die Ironie eine Art Widerspruch: Sie ist etwas, das ernst aussieht/klingt, aber ein anderes Gesicht hat, das lacht oder lächelt. Außerdem kann man in den 8 kurzen Klavierstücken feststellen, dass ein gewisser Schwerpunkt auf der Idee der Wiederholung liegt, mit dem absichtlichen Wortspiel/der Ironie, dass „répétition“ auf Französisch „Probe“ bedeutet.

Der zweite Satz übt Kritik an der Kunstszene und bietet eine mögliche Lösung an, nämlich „Kritik“. Ich glaube – und ich würde dasselbe vermuten, wenn Beethoven noch leben würde -, dass unsere gegenwärtige Musikszene dringend konstruktive Kritik braucht, weil sie mit vielen falschen Einstellungen und Verhaltensweisen gesättigt ist (z.B. sind einige Musiker faul/nachlässig in Bezug auf Proben; wenn eine Aufführung keine Uraufführung ist, lädt niemand Komponisten zu Proben ein – selbst wenn die Musiker noch nie mit dem betreffenden Komponisten geprobt haben -; die meisten Leute ziehen Schweigen und politische Korrektheit (d.h. Kompromisse bei der Äußerung ihrer wirklichen Meinung) einer kritischen, höflichen und bereichernden Diskussion vor). Diese falschen Einstellungen – neben anderen – verarmen unsere Kultur, indem sie uns daran hindern, unseren menschlichen Geist/Intellekt zu kultivieren, indem wir mutige und herausfordernde Gedanken miteinander teilen.

Saed Haddad