© Janet Sinica

RICHTERS PATTERNS

Marcus Schmickler

 

Ein Austausch zwischen bildender Kunst und neuer Musik

Eines der zentralen künstlerischen Anliegen des Ensemble Musikfabrik ist der regelmäßige Blick über den Tellerrand der Gattungsgrenzen hinaus. Diese Zielsetzung haben wir 2016 erneut mit Marcus Schmicklers Stück RICHTERS PATTERNS, ein Kompositionsauftrag der KölnMusik, in die Tat umgesetzt. Gerhard Richter, Kuratoriumsmitglied und ein bekennender Unterstützer des Ensemble Musikfabrik, wünschte sich in Gesprächen mit den Musikern einen Austausch zwischen Bildender Kunst und Neuer Musik, der zu dieser außergewöhnlichen Zusammenarbeit zwischen dem Maler, der Regisseurin Corinna Belz, dem Komponisten Marcus Schmickler und dem Ensemble Musikfabrik führte.

Gerhard Richter machte Fotos von Bildausschnitten einer neuen Werkserie und überließ sie Corinna Belz zur weiteren Bearbeitung. Diese schuf daraufhin einen Film, der nicht mit Kameras gedreht wurde, sondern aus in Rechenoperationen generierten Einzelbildern entstand (Montage: Rudi Heinen). „Auf diese Weise eröffnen sich hochinteressante Möglichkeiten, ein neues abstraktes Filmformat, jenseits von Galerien und Ausstellungsräumen zu entwickeln: Ein Bilderlebnis, das im Dialog mit einem hervorragenden Ensemble eine Komposition nicht als begleitende Filmmusik, sondern als Interpretation des Bildrhythmus erfahrbar macht“, so Corinna Belz.

Film und Musik entstanden parallel und verfolgen doch eine eigene Logik. Der Film basiert auf einem festgelegten Konstruktionsprinzip, wodurch bewusst Reibungen zwischen Bild und Ton entstehen. Kleinste Abweichungen verändern die Wahrnehmung, was auch das Ensemble vor eine große Herausforderung stellt. Marcus Schmickler: „Mir war wichtig, dass eine Entschleunigung beider Ebenen erfolgt, die auch dazu führt, dass die zeitliche Entfaltung unmerklich verläuft und eine atmosphärische Ebene entsteht, die an die Betrachtungsweise etwa eines Bildes erinnert. Der Eindruck einer zeitlichen Linearität verschwindet. Dafür die richtige musikalische Entsprechung zu finden, fand ich sehr reizvoll.“

Corinna Belz über RICHTERS PATTERNS:

Nach meinem abendfüllenden Dokumentarfilm Gerhard Richter Painting ergab sich vor zwei Jahren eine neue Zusammenarbeit mit Gerhard Richter, die das Thema „Richter und die Musik“ im Focus hatte. Zunächst entstand ein stummer Kurzfilm von drei Minuten aus der algorithmischen Bearbeitung von Richters abstraktem Bild 724-4 von 1990.

Unzählige Male ist im Zusammenhang mit Richters großen abstrakten Bildern auf musikalische Rhythmen verwiesen worden. Es lag also nahe, dass eine filmische Adaption eines Gemäldes auf der akustischen Ebene nach einer musikalischen Komposition verlangte. Musik interpretiert sozusagen die rhythmischen Strukturen, die sich aus der Animation eines Bildes ergeben, und lässt im Auge des Betrachters spezifische Bewegungseindrücke entstehen.

Für den Konzertabend anlässlich des 25. Geburtstags der Musikfabrik am 16.09.2016 in der Kölner Philharmonie entstand ein Film von etwa 32 Minuten. Dieser Film wurde nicht mit Kameras gedreht, sondern in Rechenoperationen, anknüpfend an Richters Serie Strips und das Buch Patterns: Divided – Mirrored – Repeated, mit einem eigens für das Projekt geschriebenen Programm entwickelt. Für den 32 minütigen Film wurden ca. 60.000 Einzelbilder generiert und bearbeitet, die dann im Schneideraum zu einem Film montiert wurden. Die Bewegung entsteht allein in der Wahrnehmung des Betrachters durch die Reihung und Spiegelung verschiedener Phasen der Farbstrukturen des jeweiligen Bildes.

Nach einem Besuch im Atelier im Sommer 2015 schlug Gerhard Richter vor, nicht noch einmal auf das schon bekannte Bild zurückzugreifen, sondern seine neue Serie abstrakter Bilder, die im Mai 2016 erstmals in New York ausgestellt wurde, als Ausgangspunkt zu nehmen. Richter machte in der Folge Fotos von Ausschnitten einzelner Bilder und überließ sie mir zur weiteren Bearbeitung. Der Film setzt sich aus anfänglich ornamentalen Strukturen zusammen, die sich schließlich immer weiter verfeinern und auflösen bis sie in einer schnellen Bewegung horizontaler Streifen kulminieren. Ein Bilderlebnis, das im Dialog mit einem hervorragenden Ensemble und der Uraufführung einer Komposition von Marcus Schmickler Musik als Interpretation des Bildrhythmus erfahrbar macht und den Bildrhythmus als optische Wahrnehmung des Gehörten.

Marcus Schmickler über RICHTERS PATTERNS:

Die Komposition ‚verlängert‘ Gerhard Richters Experiment der Zerlegung einer Reproduktion eines seiner ‚Abstrakten Bilder‘ in vertikale Streifen um die Domäne Klang und Zeit. Der Titel verweist auf den Versuch, Gerhard Richters KünstlerbuchPatterns: Divided, Mirrored, Repeated (2011) in Film mit Musik für das Ensemble Musikfabrik zu übertragen.

Diese ‚Verlängerung‘ findet einerseits auf der Ebene des Materials und der musikalischen Syntax statt. Formteile werden in unterschiedlichen Skalierungen wiederholt und gespiegelt. Massige Akkorde werden auf vertikaler Ebene immer weiter ineinander geschoben, bis sie mikrotonale Linien ergeben. Diese wiederholen sich und falten sich erneut ins Motivische auf, um letztlich als Spektrum in die Welt der Obertöne augmentiert hörbar zu werden.

RICHTERS PATTERNS ist desweiteren eine doppelte ‚Verlängerung‘ der Konzeption Richters: auch auf der Ebene des Kulturellen reflektiert die Komposition den Prozess, dem der berühmte Maler sein Material unterwirft. Das Verhältnis der Malerei wie auch der Musik zum Pattern, Muster, Ornament und damit auch zum Dekor ist in der Theorie der Kunst des 20. Jhd. wiederholt problematisiert und entproblematisiert worden. Es wird zu einem Sprungbrett, einem Trampolin für RICHTERS PATTERNS, unterschiedliche Epochen der Musik und der Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spiegeln sich in der Komposition scheinbar wider.

Letztlich ist RICHTERS PATTERNS auch eine Gratulation an das Ensemble Musikfabrik, dessen Mitglieder mittels individueller Probenarbeit ihre jeweils eigenen Klänge und Ideen zum Stück beigesteuert haben.

© Janet Sinica
© Janet Sinica
© Janet Sinica
© Janet Sinica
© Janet Sinica

Termine

07.06.2018 – 20:30 Uhr
Holland Festival 2018
Westergafabriek, Amsterdam

16.09.2016 – 20:00 Uhr – Uraufführung
Self-Portrait II
Kölner Philharmonie

06.05.2017 – 18:00 Uhr
Kunstfestspiele Herrenhausen
Orangerie Herrenhausen, Hannover

06.05.2017 – 20:00 Uhr
Kunstfestspiele Herrenhausen
Orangerie Herrenhausen, Hannover

07.05.2017 – 15:00 Uhr
Kunstfestspiele Herrenhausen
Orangerie Herrenhausen, Hannover

07.05.2017 – 17:00 Uhr
Kunstfestspiele Herrenhausen
Orangerie Herrenhausen, Hannover

19.05.2018 – 21:00 Uhr
Eröffnung der Ausstellung Gerhard Richter. Neue Bilder
Staatliche Kunstsammlungen Dresden