@ Paul Leclaire

Tree of Codes

Liza Lim

Cut-outs in time, an opera

»Eine Oper über Herkunft und Erinnerung, Zeit, Auslöschung und Erleuchtung.« So beschreibt Liza Lim ihr kürzlich fertiggestelltes Musiktheater Tree of Codes(2013-15), in dem die australische Komponistin den Fragen nach dem Sein, Werden und Geworden-Sein des Menschen nachspürt: »Inwieweit formen das Erbe unserer Gene, unsere Geschichte und das Generationen überdauernde Unterbewusstsein unser Selbst, unser Begehren und unsere Verwünschungen?«, fragt Lim im Vorwort zur Partitur.

Die Basis dieser musiktheatralischen Reise ins Existenzielle bildet ein außergewöhnliches Kunstwerk des amerikanischen Schriftstellers Jonathan Safran Foer, dessen Titel Liza Lim für ihr Werk übernommen hat: Tree of Codes ist einerseits ein Buch, zugleich aber auch ein skulpturales Objekt, das durch eine besondere Technik der Auslassung zustande kam. Foer nahm einen Text des polnischen Autors Bruno Schulz – die 1934 erschienene Kurzgeschichtensammlung The Street of Crocodiles (dt. Titel: Die Zimtläden)– und schnitt einen Großteil der Worte aus. Auf diese Weise entstand ein Cut-Up im wahrsten Sinne des Wortes – ein Buch, in dem die Tilgung von Worten neue narrative Zusammenhänge hervorbringt.

Liza Lim greift diese Idee des Aussparens, des gestaltenden Hinzufügens von Leere und Transparenz in ihrer Komposition auf. Der Untertitel von Tree of Codes lautet Cut-outs in time (Ausschnitte in der Zeit), womit ein grundlegendes Moment ihres Musiktheaters beschrieben ist. Statt einem linearen Erzählfluss zu folgen, spielt die Handlung in einer Nicht-Zeit: »an einem zusätzlich beigegebenen Tag in der Kontinuität des Lebens« . Hier lösen sich die Grenzen zwischen belebter und unbelebter Welt auf, geraten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Unordnung, werden die Übergänge zwischen Realität und Fiktion fließend. So entsteht eine eigentümliche Zwischenwelt: »Tote Materie wird belebt und lernt zu träumen, zu sprechen, zu singen«.

Im Vordergrund erzählt Tree of Codes die Geschichte eines Kindes, das seinen Vater voller Ehrfurcht betrachtet, seinen Aufstieg und Fall erlebt und sich am Ende selbst an seiner Stelle wiederfindet. Zugleich aber erscheinen Wesen mit hybrider Gestalt oder Identität auf der Szenerie, die musikalisch vor allem durch die Doppeltrichterinstrumente der Blechbläser des Ensemble Musikfabrik repräsentiert werden. Zudem betont der szenische Entwurf des Schweizer Künstlers Massimo Furlan das Moment der Simultaneität und Wandelbarkeit, indem er die Machart von Jonathan Safran Foers Buchobjekt aufgreift: Der Bühnenraum besteht aus »durchsehbaren« Ebenen, auf denen Sänger, Schauspieler und Musiker agieren.
Liza Lims Oper Tree of Codes ist eine Geschichte über die Mehrdeutigkeit einer vermeintlich greifbaren Realität und das ephemere Wesen der Zeit: »Die Wirklichkeit ist dünn wie Papier, wie ein Sägespäneschleier in einem leeren Theater« , heißt es am Ende des letzten Aktes.

(Text: Michael Rebhahn)

Tree of Codes ist eine Auftragsproduktion der Oper Köln, Ensemble Musikfabrik und HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden, in Kooperation mit der Akademie der Künste der Welt Köln.

www.oper.koeln
www.hellerau.org
www.academycologne.org

Skizzen des Bühnenbildes für "Tree of Codes" © Massimo Furlan
Skizzen des Bühnenbildes für "Tree of Codes" © Massimo Furlan
Skizzen des Bühnenbildes für "Tree of Codes" © Massimo Furlan
Skizzen des Bühnenbildes für "Tree of Codes" © Massimo Furlan
Skizzen des Bühnenbildes für "Tree of Codes" © Massimo Furlan
Skizzen des Bühnenbildes für „Tree of Codes“ © Massimo Furlan

Termine

Samstag, 9. April 2016, 19.30 Uhr | Premiere
Köln, Oper Köln, Staatenhaus, Saal 3

weitere Termine:
Dienstag, 12. April 2016, 19.30 Uhr
Donnerstag, 14. April 2016, 19.30 Uhr
Montag, 18. April 2016, 19.30 Uhr
Mittwoch, 20. April 2016, 19.30 Uhr

Video Interview mit Liza Lim

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