Liebe Freunde des Ensemble Musikfabrik,
seit ich mich am 23. März des Jahres zuletzt an dieser Stelle öffentlich geäußert habe, waren wir auch unter den extremen Bedingungen, denen die Musikkultur unterworfen war, nicht untätig. Wir haben knapp siebzig Solowerke auf Video unter dem Titel „Lockdown Tapes“ aufgenommen und veröffentlicht, und sobald die Situation es erlaubte, fast zwanzig Konzerte in kleiner Besetzung vor reduziertem Publikum – „Concertini“ – in unserem Haus gegeben.
Ab September rechnen wir damit, dass die derzeitige Öffnung ein wieder erweitertes Konzertleben erlauben wird. Dazu werden, unter ständigen Sicherheitsvorkehrungen und Covid-Testbedingungen, Konzerte beispielsweise von kleineren Podien auf größere verlagert, wie wir es am 9. 9. in der Philharmonie Berlin erleben werden. Unsere Aufführungen im Rahmen des Musikfests Berlin finden nun im großen Saal statt, um den derzeit gebotenen Abstandsregeln Rechnung tragen zu können. Gleichzeitig erleben wir immer noch ständig kurzfristige Absagen oder Verschiebungen auf 2021, vor allem von Auftritten im Ausland. Das betrifft Konzerte in Royaumont (Frankreich), das Ultima Oslo Festival, das Huddersfield Festival, Wien Modern und eventuell noch weitere.
Glücklicherweise werden diese Absagen teilweise durch das außerordentliche Corona-Hilfsprogramm des Bundes „Orchester vor neuen Herausforderungen” kompensiert. Die Mittel stammen aus dem Förderprogramm „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“, aus dem vorher auch unser inzwischen ausgelaufenes „Linkage“-Projekt im Zusammenhang mit den „Musikfabrik im WDR“-Konzerten finanziert werden konnte. Wir verwenden diese Mittel für Audio- und Videoproduktionen im eigenen Haus. Die erweiterten Video-Möglichkeiten dienen außerdem dazu, Fernproben mit Musikern zu machen, die nun nicht mehr reisen können wir vorher. Ein laufendes Projekt mit Virtuosen von karnatischer Musik, die in Indien leben, kann so weiterentwickelt werden.
Als Intendant ist es allerdings meine Aufgabe, nicht nur an der Lösung dieser täglich neu auftretenden Probleme zu arbeiten, sondern ich bin vor allem auch mit der Planung für die kommenden Jahre befasst. Bei aller Unsicherheit kann man sich derzeit nur so verhalten, als könnten Konzerte in Zukunft auch weiterhin stattfinden, weshalb ich mit unseren Partnern im Gespräch bin bis über 2022 hinaus und wir alle hoffen, dass die reiche und wertvolle Musiklandschaft in Deutschland und Europa weitgehend erhalten werden kann. Es ist allerdings abzusehen, dass eine Tendenz zu vermehrt lokalen Veranstaltungen und Aktivitäten besteht und dass weite Reisen eher durch längere Residenzen, statt durch kurze Auftritte zu rechtfertigen sein werden.
Kurz gesagt lautet die Botschaft also, dass wir relativ glimpflich über den Sommer gekommen sind, nun auf einen besseren Herbst hoffen, und uns freuen, Sie im Konzert wieder zu sehen, ob in Köln, Bochum, Essen, Berlin, Bonn oder auch in Amsterdam und Paris.
Es grüßt Sie Ihr Thomas Fichter
Intendant Ensemble Musikfabrik
Liebe Freunde des Ensembles Musikfabrik,
es gibt uns noch! Diese neue Situation ist sehr real, sie betrifft uns alle, und wir befolgen die solidarischen Verhaltensregeln, die Frau Bundeskanzlerin Merkel gestern noch einmal eindringlich als die jetzt gebotenen verkündet hat.
Für ein Musikensemble bedeutet das allerdings fast vollständigen Stillstand. Unsere Organisation arbeitet zwar derzeit in vollem Umfang weiter (jeder an seinem privaten Computer), aber das Ensemble kann wegen des Infektionsrisikos nicht mehr gemeinsam proben. Konzerte werden abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben. Sofern eine Absage noch nicht in unserem Online-Kalender steht, können Sie damit rechnen, dass diese bald folgen wird.
Die Musiker des Ensembles sind nicht festangestellt. Das Gesamteinkommen des Ensembles und der Musiker hängt zu einem großen Teil von Konzerteinnahmen ab, auch wenn der Verein Ensemble Musikfabrik direkt mit öffentlichen Geldern und Stiftungsmitteln subventioniert ist. Wir befinden uns damit zusammen mit allen anderen nicht-angestellten Musikern (beispielsweise des Ensemble Modern in Frankfurt und des Ensemble Resonanz in Hamburg) in einer ähnlichen Lage. Wir stehen solidarisch mit allen Musikern, die nun ebenfalls mit diesen enormen Problemen konfrontiert sind und eine gewaltige Unsicherheit in ihrer Arbeits- und Einkommenssituation ertragen müssen.
Wegfallende Konzerteinnahmen können sehr schnell nicht mehr intern aufgefangen werden – besonders wenn die Krise andauert. Ensembles und Gruppierungen, die mit nicht angestellten Musikern arbeiten, sind auf Auszahlungen von Veranstaltern, Festivals, Stiftungen und anderen Geldgebern angewiesen, die über die üblichen Regelungen bei höherer Gewalt hinausgehen, oder sie benötigen eine direkte Überbrückungsfinanzierung der öffentlichen Hand. Gerade die Musiker, die ihre gesamte Zeit für Ensemblearbeit reserviert haben – die sich schwerer noch als manche Unterrichtsstunde online umsetzen lässt – trifft der drohende Verdienstausfall besonders hart.
Wir bedanken uns bei allen, die sich auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene für schnelle finanzielle Hilfe für selbstständige Künstler einsetzen, und bei Geldgebern und Veranstaltern, die kleine Organisationen durch frühe und vollständige Auszahlung von bereits bewilligten Mitteln liquide halten. Sie helfen damit nicht nur vielen Musikern, sondern kämpfen gleichzeitig auch für den Erhalt unserer weltweit einzigartigen Musikszene während dieser für uns völlig neuen Krise.
Ihr Thomas Fichter
Intendant Ensemble Musikfabrik