27. April 2020

New Music Monday #6

„epiphanous, dim untersucht die Art und Weise, in der relativ undifferenzierte musikalische Materialien eine Identität durch Wiederholung entwickeln und die Art Expressivität, die entsteht, wenn statische Klänge eine nahezu virtuose Konzentrationsanstrengung des Ausführenden erfordern.“

Joseph Andrew Lake, 2019

 

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New Music Monday #6 enthält epiphanous, dim (2019) von Joseph Andrew Lake, ein Auftragswerk im Rahmen des Montagskonzerts piano – forte – insideout kuratiert von Ulrich Löffler. Im Blog erzählen Hannah Weirich und Ulrich Löffler von der besonderen Klangerforschung und Dynamik des Stücks.

“Im Vorfeld seines Kompositionsauftrags für Klaviertrio wollte sich Joe Lake mit beiden Streichern einzeln treffen.

Er kam mit mehreren Seiten systematisch geordneter Doppelgriffe, deren Besonderheit war, dass die meisten eine Kombination aus Flageolett und normal gegriffenem Ton waren – oft eher unangenehm zu spielen, in jedem Fall aber eine Herausforderung für den Spieler, da die beiden Töne eine sehr unterschiedliche Bogenbehandlung bräuchten. – Aber auch ein weites und sehr spannendes Feld, da die Kombination eben nicht nur die Summe beider Töne ist, sondern oft völlig neue und faszinierende Klänge entstehen läßt.

Joe war nicht nur an Doppelgriffen benachbarter Saiten interessiert, sondern auch an solchen, die eine Saite überspringen, was logistisch eine echte und nicht immer lösbare Herausforderung ist.

Wir gingen jeden Klang in verschiedenen (vorrangig leisen) Dynamiken, Bogengeschwindigkeiten und Kontaktstellen (also am Steg, am Griffbrett, direkt an den Grifffingern) durch. Am Cello lassen sich viele Klänge auch auf der anderen Seite der Grifffinger streichen – auf der Geige ist dies wegen der anderen Spielhaltung am Kinn leider nur selten möglich. Wenn ja, ergibt sich jedoch eine sehr eigene, besondere Klangfarbe.

Schnell stellte sich heraus, daß wir, um Joes angestrebte Klangbibliothek zu komplettieren, unsere gemeinsame Arbeit auch nach diesen beiden Treffen fortsetzen würden – dann aber auf virtuellem Weg, da Joe auf Gotland lebt.
Er mailte mir (seitenweise) Klänge, ich probierte aus, sortierte die nicht realisierbaren aus und nahm anschließend verschiedene Varianten jedes Doppelgriffs auf.

Und irgendwann waren weitere 270 Klänge untersucht, ich hatte eine anstrengende, auch physisch fordernde, aber vor allem spannende und unglaublich bereichernde Klangerforschung hinter mir – und der Kompositionsprozeß von epiphanous, dim konnte beginnen.

Setzen Sie ihre Kopfhörer auf, schließen Sie die Augen und begeben Sie sich mit uns auf eine fasziniernde Entdeckungsreise ins Innere der Klänge.”

Hannah Weirich

 

„Eine Uraufführung ist immer etwas besonderes. Wir kennen natürlich die Besetzung, die ungefähre Dauer, aber das, was die Musik ausmacht, ob sie uns berührt, bewegt – das wissen wir frühestens nach der ersten Aufführung.
Das Klaviertrio epiphanous, dim von Joe Lake gehört zu der speziellen Art Musik, die, einmal in Gang gesetzt, ganz wie von selbst funktioniert.
Klar, die Interpreten haben ihre Stimme geübt, zusammen geprobt, und musizieren dann mit voller Konzentration, hören einander zu, lassen geschehen. Das, was manchmal erforderlich ist, ein absichtliches irgendwohin Steuern, die „Sache in die Hand nehmen“, ist hier nicht nötig, und eigentlich auch nicht erwünscht. Was gilt, ist das volle Vertrauen in die Eigendynamik der Musik, das sich Einlassen auf die innere Bewegung der Klänge. – Und in nullkommanichts ist eine halbe Stunde vorbei… „

P.S.: Direkt nach der Uraufführung von „epiphanous, dim“ im April 2019 meinte Katharina, die damals hochschwangere Freundin meines Sohnes Richard : „Boah, genau diese Musik möchte ich im Kreissaal hören.“

Ulrich Löffler