Die neue Veröffentlichung von New Musik Monday #3 enthält Rebecca Saunders‚ Bite für Bassflöte solo, aufgenommen von Helen Bledsoe. Lesen Sie mehr über die Entwicklung des Stückes, seine Herausforderungen und die Zusammenarbeit mit Rebecca Saunders in diesem Blog-Eintrag von Helen:
In Bite für Bassflöte solo versucht Rebecca Saunders eine spezielle Synthese von Sprache und Bassflötenklang, die mir im Solorepertoire bisher nicht begegnet ist. Im Gegensatz zu den meisten Solowerken, in denen Stimme und Flöte zusammen verwendet werden, wird die Stimme nicht auf eine singende oder erzählerische Rolle reduziert. Die Phoneme der Sprache werden verwendet, um Elemente des Flötenklangs zu formen, ähnlich wie eine ADSR-Hüllkurve die Amplitude und den Filter eines Synthesizer-Oszillators formt. Diese, wie ich es nenne, Sprachgestensprache wurde während unserer Arbeit an ihrem Ensemblestück Stasis entwickelt. In Stasis erhielt ich einen Text von Samuel Beckett und hatte ziemlich viel Freiheit, Wörter in verschiedene Paletten von Mehrklängen oder andere Klänge zu bringen und jedes Wort in einen Klang zu zwingen.
In Bite gibt es diese Freiheit nicht, es ist ein grundsätzlich durchkomponiertes Werk und die gesamte Sprachgestensprache hat ihren Weg in die Notation gefunden. Es ist kein klar gesprochener Text zu hören.* Der Interpret hat jedoch die Freiheit, Text hinzuzufügen, wenn es hilft, eine Phrase oder sogar einen einzelnen Klang zu formen. Einige Texte, die ich hinzugefügt habe, haben ihren Weg in die gedruckte Version gefunden.
Mein einzig anderer Eingriff in den Kompositionsprozess hatte mit der Bearbeitung zu tun. Der erste Entwurf dauerte etwa 19 Minuten, für diese Endfassung haben wir ihn auf etwa 13 Minuten reduziert. Ich plädierte dafür, einen Abschnitt nicht zu kürzen, weil ich ihn besonders gern spielte.
Vom Noten lernen abgesehen, forderten mich mehrere Besonderheiten beim Erlernen dieses Stücks heraus. Die erste war die körperliche Herausforderung. Da meine Bassflöte besonders schwer ist, musste ich einen speziellen Ständer kaufen, um meine Handgelenke und Ellbogen zu entlasten. Das Werk ist auch recht kathartisch, manchmal muss man schreien oder laut mit Flatterzunge singen. Das ist etwas, was mir Spaß macht, aber ich musste darauf achten, dass ich meine Stimme während des stundenlangen Übens nicht überanstrenge.
Es gab auch für mich viele künstlerische Herausforderungen. Das Werk ist interessant durch seine Kontraste. Das Spektrum betreffend, geht man schnell von sehr reichen, gesättigten Klängen zu sehr détimbré-Klängen über, von übertriebenen Rock’n’Roll-Klängen bis hin zu feinsten Multiphonics. Das ist an sich schon technisch schwierig. Außerdem werden alle Klänge in den ersten drei Minuten des Werkes vorgestellt. Da klanglich nichts wirklich Neues eingeführt wird, muss ich irgendwie meinen eigenen Energiefluss erzeugen, um den Zuhörer für die restlichen zehn Minuten mitzureißen. Diese Energie und dieses Engagement ist musikalisch sehr wichtig, weil es keine Entwicklung oder Erzählung gibt (was ich in einem Stück, das Elemente der Sprache verwendet, amüsant finde).
Ich denke, dies ist einer der brillanten Aspekte von Rebeccas Musik. Ihre modularen Komponenten erlauben es, seine eigene Interpretation mit seinen eigenen spektralen und dynamischen Paletten zu färben. Tatsächlich ist man dazu sogar gezwungen, weil man sich nicht auf traditionelle Formen oder Gesten verlassen kann, um die Musik zu tragen. Dies eröffnet den Weg zur Betrachtung und Entwicklung anderer Aspekte des musikalischen Könnens.
Ich hoffe, dass mir diese Bemühungen gelingen und, dass neugierige Zuhörer an dieser Aufnahme Freude haben. Sie entstand mehrere Jahre nach der Erstaufführung, so dass ich genügend Zeit hatte, die Interpretation reifen zu lassen. Doch jedes Mal, wenn ich sie erneut anschaue, mache ich immer wieder Entdeckungen!
*Dies ist ein großer Kontrast zu dem Stück von Georges Aperghis, an dem ich jetzt arbeite, für Solo-Pikkolo/Erzähler „The Dong“ nach einem Text von Edward Lear, das im Konzert des Ensemble Musikfabrik am 19. Juli in Darmstadt in diesem Sommer uraufgeführt wird.