Akira Nishimura – Threnody (1998) für Violoncello solo
Dirk Wietheger, Violoncello
Janet Sinica, Video
Hendrik Manook, Sounddesign
Die Musik von Akira Nishimura (geb. 1953) bewegt sich im Spannungsfeld westlicher Avantgarde und fernöstlicher Tradition. Ich begegnete ihr zum ersten Mal, als wir im Jahre 2002 seine Kammeroper Eshi – der Maler aufführten, eine meiner ersten szenischen Projekte mit dem Ensemble Musikfabrik. Sehr beeindruckt von der Wucht und der Unbedingtheit dieser Musik, die nur sieben Instrumentalisten benötigt, wollte ich weitere Musik von ihm kennenlernen. Vier Jahre später reiste das Ensemble schließlich nach Takefu, wo ich ihm auf dem dortigen internationalen Festival begegnete und zum ersten Mal Threnody (= Klagegesang) aufführen durfte. Seitdem spiele ich das Stück immer wieder gerne. Obwohl Nishimura in Japan sehr berühmt ist, werden seine Werke im Westen leider vergleichsweise selten aufgeführt – zu Unrecht wie ich finde, doch allmählich ändert sich das, zeugen seine Werke doch von einer großen Kraft und Eigenständigkeit. Viel lerne ich dabei, insbesondere das eigene Ego abzuschalten: Mir kommt es vor, als müsse sich der Cellist ganz einer höheren Macht hingeben, von der er sich bewegen lässt. Nicht eine subjektive Klage, vielmehr eine Klage des ganzen Kosmos, in die er mithinein genommen wird. Nicht er soll spielen, sondern Es soll in ihm spielen. Unweigerlich denke ich an die Lektüre von Eugen Herrigels Zen in der Kunst des Bogenschießens zurück. Ob ich mich dieser Meisterschaft werde nähern können?
Dirk Wietheger, August 2020