5. Juli 2024

Lamento

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Malika Kishino Lamento (2013)
für zwei Violinen

Hannah Weirich, Violine
Sara Cubarsi, Violine

Janet Sinica, video/editing
Stephan Schmidt, recording producer/editing

Seit Anbeginn der Zeit ist Japan mit einer erstaunlichen  Natur gesegnet, die auch mit natürlichen Bedrohungen wie  Taifunen, Erdbeben und aktiven Vulkanen koexistiert. Als  ich darüber nachdachte, empfand ich Sympathie für das  Konzept der Symbiose und komponierte mein Stück auf  der Grundlage des Gedankens der Koexistenz von Natur und Mensch. Der Impuls der Natur wird durch das „Pizzicato“ der Geigen dargestellt. Die raue, fließende Energie  wird durch das Anschlagen der Saiten mit der Rückseite  des Bogens (col legno) wiedergegeben. Im Gegensatz dazu  habe ich zur Darstellung des Menschen ein Volkslied aus  Fukushima zitiert, das „Sohma Nagareyama“ heißt. Im  Text geht es um die Sehnsucht nach der Heimat und die  Schwankungen der Zeit. Ich wollte diese Volksmelodie als  Symbol für die Landschaft des Herzens verwenden. Dieses Motiv wird von harmonischen Geigen gespielt, die ich  mir als eine Flut von Sepiafarben vorstelle.
Während der Arbeit an dem Stück dachte ich auch an ein  anderes Element, mit dem die Menschheit niemals in Frieden koexistieren kann. Es war die Existenz der Kernkraft.  Seit den 1950er Jahren haben wir Japaner uns mehr und  mehr auf die Kernenergie als Energiequelle verlassen. Wir  haben uns auf die Vorteile und den Nutzen der Kernenergie konzentriert und es vermieden, uns mit den Risiken  zu befassen, bis der Unfall passierte. Japan hat eine lange  Geschichte von Erdbeben und seismischer Aktivität, die  in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach zu Tsunamis geführt haben. Meiner Meinung nach hätten wir die  Risiken des Baus und Betriebs von Kernkraftwerken in einem solchen Gebiet gründlicher abwägen müssen. Mit der  Kernenergie hat die Menschheit etwas produziert und davon profitiert, was wir nicht kontrollieren konnten. Jetzt, wo dieser Unfall passiert ist, ist der Preis, den wir bezahlt  haben, zu hoch und zu schmerzhaft. Wenn ich an diese
Realität denke, schwillt mein Herz vor Kummer an. Ich widme „Lamento“ allen Menschen, die von dem großen Erdbeben im Osten, dem Tsunami und der Nukleartragödie von Fukushima betroffen sind und weiterhin darunter leiden. 

Malika Kishino