3. Dezember 2013

Angels

  1. Liza Lim (* 1966): Wild Winged-One
    Solo for C cornet with wacky whistle
  2. Richard Ayres (* 1965): No. 37C –Sjonnie Kurzak (a broken soul) ascends
    for four trumpets (piccolo trumpet, Eflat trumpet, and two Bflat trumpets)
  3. Rebecca Saunders (* 1967): Neither
    Duo for double-bell trumpets
  4. Georg Friedrich Haas (* 1953):… Einklang freier Wesen …
    Solo version by Marco Blaauw for quartertone flugelhorn
  5. Carl Ruggles (1876–1971): Angels
    Sextet for muted brass (version for four trumpets, horn, and trombone)
  6. Agata Zubel (* 1978): Wounded Angel
    for solo double-bell trumpet
  7. Martin Smolka (* 1959): pianissimo
    for four B flat trumpets with bucket mutes
  8. Martijn Padding (* 1956): 23 Sentences & Autograph
    for solo double-bell trumpet
  9. Marco Blaauw (* 1965): Deathangel
    A multi-track recording of two conch shells with piano resonance, bukkehorn, double-bell trumpet, my father’s voice, and ambient noises
  10. Jimmy Rowles (1918–1996): The Peacocks
    Jazz ballad for double-bell trumpet and prepared piano

Die vorliegende CD komplettiert eine Folge dreier Farben: Ich begann sie 2004 mit der Farbe Blau (Blaauw), 2006 folgte Rot (HOT). Für die vorliegende CD wählte ich Weiß, und sie ist wie die beiden vorhergegangenen CDs ein sehr persönliches Porträt meines Instruments, der Trompete.

Ich erinnere mich, zum ersten Mal Live-Musik im Alter von fünf Jahren gehört zu haben. Es war in einer Kirche des kleinen katholischen Dorfs, in dem ich aufwuchs, gesungen von einem Chor beeindruckender Männerstimmen. DieMusik muss ein Gregorianischer Choral gewesen sein. Die Kirche war unbeheizt und die Musik vermischte sich mit dem Duft von Weihrauch. Ich liebte es. Aber der große Raum der Kirche erschreckte mich auch. Ich erinnere mich, dass es halb dunkel war und dass, während ich der Musik lauschte, die Engel – figuren mich ausgesucht hatten, um auf mich mit ihren unbeweglichen und geheimnisvollen Augen herabzustarren. Ihre Wirkung auf mich war stark. So stark, dass die Statuen mich in meinen Gedanken verfolgten – vor allem nachts.

Alleine im Bett und Schlaf suchend, würde ich oft von diesen Augen heimgesucht werden. Ihre wirklich beunruhigenden Blicke ließen mich erschaudern. Um dieser Angst zu begegnen, erfand ich meine eigene Musik. Ich fantasierte. Endlose Melodien entstanden in meinem Kopf. Langsam beginnend, weich und sanft, wurden sie bald stärker, umfangreicher, lauter und schneller. Um die stechenden Blicke der steinernen Kreaturen zu überlagern, würde ich den Klang der Trompete hinzufügen. Der Erfolg war mir jedes Mal sicher. Die Trompete würde alles verzaubern und die Bedrohung in ruhigen Schlaf verwandeln. Diese erschreckenden Erscheinungen verfolgten mich bis zu meinem elften Lebensjahr – dem Jahr, in dem ich eine Trompete bekam und meine Eltern mir erlaubten, Unterricht zu nehmen. Ich konnte mein Glück kaum fassen …

Das Repertoire dieser CD stammt von wunderbaren Komponisten mit völlig unterschiedlichen Hintergründen und unterschiedlichen Geschichten. Irgendwie fühlte ich, dass diese Stücke verwandt waren. Während des Übens, Spielens, Konzertierens und Aufnehmens, nahm jedes Stück seine eigene Identität an und wurde zu einer einzigartigen Persönlichkeit. Die Stücke wurden lebendig, wurden zu Wesen, die aus schwingender Luft bestanden, spirituell, engelsgleich. Erst dann habe ich das gefunden, was ihnen gemeinsam ist und eine Begründung, sie zu kombinieren. Ihre Klangwelt erinnert mich an das, was ich als kleiner, ängstlicher Junge hörte.
Viele Jahre sind seither vergangen, die dabei halfen herauszufinden, dass die damalige Angst eine nur kleine Vorübung für das war, was sich als existenzieller Teil des Lebens herausstellte. Ich bin glücklich, Trompete zu spielen. Der Zauber bleibt!
Marco Blaauw

Vielen Dank: an meine Musikerkollegen Markus Schwind, Nathan Plante, Ralf-Werner Kopp, Christine Chapman, Bruce Collings und Michiel Braam für ihre Musikalität, wertvolle Zeit und Motivation; an die Komponisten für ihre Musik; an Armin Köhler und Rolf W. Stoll dafür, dass sie dieses Projekt ermöglicht haben; dem Ensemble musikFabrik für die Erlaubnis, Studio und Ausstattung nutzen zu dürfen und dafür, dass der Geräuschpegel im Haus so niedrig gehalten wurde;  an Dorothee Schabert für all ihre Arbeit hinter den Kulissen, großartigen künstlerischen Input und für die produktive und angenehme Arbeits-atmosphäre; an Christi für ihre Unterstützung, Ideen, Übersetzungen und dafür, dass sie aufs Rad gesprungen ist, um während der Aufnahmen von Wild Winged-One in Köln eine neue Gaumenpfeife zu besorgen.