4. Mai 2020

New Music Monday #7

Das nächste Stück der Reihe New Music Monday enthält das Trio Triple von Georges Aperghis, aufgenommen von Helen Bledsoe, Carl Rosman und Marco Blaauw. Lesen Sie dazu den Programmtext von Martina Seeber unseres Konzerts „Musikfabrik im WDR 69“ aus dem letzten Jahr, bei dem das Stück von uns zuletzt aufgeführt worden ist.

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Georges AperghisTriple (2010)

Ist das spielbar? Nicht nur die Rhythmen der drei Bläser, die sich für Bruchteile von Sekunden überlagern. George Aperghisfordert ein hauchfeines Gewebe aus mikrotonalen Abstufungen. Fragil wie eine  Schneeflocke und fast genauso leise. Triplerührt an Grenzen. In diesem Trio gibt es weder Netz noch doppelten Boden. Es ist ein inszeniertes Wagnis, eine Zirkusnummer für Artisten. Obwohl das Trio keine Geschichte erzählt, ist der Vergleich erlaubt. Georges Aperghis selbst bringt das Bild des Zirkus ins Spiel: „Ich stelle mir oft einen Akrobaten vor, der von einem Hochseil auf das andere balanciert, der springt und im letzten Moment das Gleichgewicht wiederfindet. Das ist die Art Fragilität, die Gefahr, die ich suche.“ Eine Gefahr, der sich allerdings vor allem seine Interpreten aussetzen, wenn sie fast Unmögliches realisieren.

Triple ist eine brüchige, manchmal verwackelte, aber hauchzarte Musik, immer wieder von Pausen durchzogen, als blickten die Musiker von ihrem Hochseil in die Tiefe. Manchmal setzt sich der Balanceakt anschließend fort, manchmal wechselt die Szene wie nach einem harten Filmschnitt. Mikrotonal verfärbte Akkorde sinken in die Tiefe, fahl und klagend. Vögel zwitschern, schnattern wie in einem Gespräch durcheinander. Eine schwebende, einstimmige Melodie wird von rasend schnellen Figurationen abgelöst. Die Bläser intonieren aufs Heikelste ineinander verzahnte, fragile Gebilde. Auch dabei spielen sie mit dem Ideal der Vollkommenheit und ihrer eigenen Begrenztheit. Georges Aperghis führt seine Musiker aber keineswegs vor. Er zeigt sie vielmehr, wie sie sich – verletzlich und menschlich – auf höchstem Niveau exponieren. Ihre Energie, ihre Anstrengung, ihre Furcht, ihre Virtuosität: all das gehört zu dieser Musik wie die rhythmischen Strukturen, Harmonien oder Intervallbeziehungen. Triple ist das Gegenteil von Routine. Vielleicht ein Ausnahmezustand.

Martina Seeber, aus dem Programmheft zu Musikfabrik im WDR 69, 17.02.2019