18. November 2019

Man Ray Trilogie

Für das nächste Montagskonzert in der Musikfabrik am 25. November kuratiert Dirk Wietheger einen besonderen Abend mit Musik und Film. Nicolas Tzortzis’ Man Ray-Trilogie beinhaltet drei Kompositionen zu Stummfilmen von Man Ray, bedeutender Fotograf und Filmemacher des Surrealismus und der Moderne des 20. Jahrhunderts. Im Blogbeitrag beantwortet uns Dirk Wietheger ein paar Fragen zu seinem Programm.

Du hast dich entschieden, in deinem Montagskonzert die Man Ray Trilogie aufzuführen – Musik zu drei experimentellen Stummfilmen von Man Ray, komponiert von Nicolas Tzortzis. Was macht für dich gute Filmmusik aus?

Ich bin sehr vorsichtig, von gut oder schlecht zu reden. Aber seitdem ich selbst vor einigen Jahren die Gelegenheit hatte, für einen kurzen Stummfilm Musik zu schreiben (The Insects‘ Christmas), kann ich mich viel besser in einen Komponisten hineindenken und weiß vor welchen grundsätzlichen Entscheidungen er steht. Ich achte viel bewusster auf die Musik eines Filmes, zumal, wenn es sich wie hier um einen Stummfilm handelt. Anders als bei einem Tonfilm, bekommt die Musik dort ein viel größeres Gewicht, steht gleichberechtigt neben dem Bild. Sie kann nicht nur gelegentlich eingeschoben werden, um mal hier mal dort eine Stimmung zu verstärken, sondern wird für die gesamte Dauer des Films komponiert. Man muss also wirklich ein richtiges Stück schreiben, welches dann in eine Beziehung zum Bild gesetzt wird. Und diese Beziehung ist es, die mich interessiert. Ist es eine pure Illustrierung dessen, was man sieht? Oder führt die Musik ein Eigenleben und würde auch ohne Film funktionieren? Übernimmt sie die Form, die Struktur oder sonstige Elemente des Films, oder geht sie bewusst konträr dazu? Laufen Film und Musik vielleicht sogar völlig beziehungslos nebeneinander her? Gibt es ein Gleichgewicht zwischen Bild und Ton oder steht eins der beiden Elemente stärker im Vordergrund? Alles Fragen, zu denen sich ein Komponist positionieren muss. Und die Filme von Man Ray sind wirklich großartige „Kompositionen“. Eine hohe Messlatte! An ihnen und an den sich selbst gestellten Aufgaben muss sich ein Komponist messen lassen.

Es handelt sich um drei, voneinander unabhängige Stücke. Gibt es eine Entwicklung oder einen Zusammenhang zwischen den Stücken?

Die Stücke von Nicolas Tzortzis sind in einem Zeitraum von wenigen Jahren entstanden. Ausgelöst durch einen Auftrag, Musik für den Film „L’étoile de mer“ zu schreiben, entstand sein Wunsch, sich intensiver mit Man Ray zu beschäftigen und auch die Filme „Emak Bakia“ und „Les mystères du chateau du Dé“ zu vertonen. Wir haben uns in Absprache mit Nicolas entschieden, bei der Aufführung die chronologische Reihenfolge der Entstehung einzuhalten, um seine ganz persönliche Entwicklung bezüglich der Beziehung zwischen Bild und Ton hervorzuheben. Wir freuen uns, dass Nicolas sein Kommen angekündigt hat und uns sicher dazu einiges erzählen wird. Aber auch die Filme von Man Ray sind in einem ähnlich engen Zeitraum entstanden: Nachdem er kurz zuvor mit kleineren Filmen experimentiert hatte, erhielt er 1926 vom amerikanische Ehepaar Arthur und Rose Wheeler den Auftrag, jedes Jahr einen längeren Film zu produzieren. So entstand zunächst „Emak Bakia“, ein surrealistischer Film ganz ohne Handlung. Er besteht aus Improvisationen, die den gegenwärtigen „Zustand des Kinos“ reflektieren sollten, und in denen er diverse Techniken, mit denen er bis dahin gearbeitet hatte, insbesondere die „Rayographie“ – eine besondere Form von Fotogrammen, bei denen man in der Dunkelkammer Gegenstände auf Fotopapier ohne Kamera belichtet – vereinigt. Darauf folgte in ähnlicher Weise 1928 „L’étoile de mer“ inspiriert durch ein Gedicht von Robert Desnos und 1929 „Les mystères du chateau du Dé“ inspiriert durch die Villa Noailles in Hyères, ein modernistisches Haus der 1920er Jahre. Schade, dass er sich danach (u.a. durch Aufkommen des Tonfilms) kaum noch mit dem Medium Film beschäftigte.

Welche Besonderheiten müssen beachtet werden, wenn man live zu einem Film spielt? Gibt es Unterschiede in der Aufführungspraxis?

Künstlerisch gesehen ist es eine wichtige Aufgabe, das Gleichgewicht zwischen Bild und Musik im Blick zu haben. Das kann unter Umständen etwas anderes bedeuten als im Musiktheater oder in der Oper: Die Musiker sind eben nicht einfach Teil eines Gesamtkunstwerkes, sondern treten mit ihrem „Kunstwerk“, eben der musikalischen Komposition, einem anderen „Kunstwerk“, dem Film, gegenüber. Auf der rein praktischen Ebene muss natürlich die Frage geklärt werden, wie die Koordination zwischen Film und Musik sowie zwischen den Musikern untereinander gesichert wird. In Tzortzis Stücken ist es eigentlich vorgesehen, dass ein Dirigent den Tempoangaben der Partitur folgt während zusätzlich in der Partitur Bilder des Films eingefügt sind, damit der Dirigent die Synchronität überprüfen kann. In diesem Konzert haben wir uns jedoch dazu entschieden, ohne Dirigent zu spielen. Daher verwenden wir einen Klicktrack, den jeder Musiker per Headset im Ohr hat. Aufgrund der Komplexität der Werke ist das eine besondere Herausforderung!