5. August 2020

Interview mit Michel van der Aa

Was wäre, wenn unser Geist ewig leben würde? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich die Filmoper Upload, die am 20. März 2021 an der Dutch Nation Opera in Amsterdam uraufgeführt wurde.

Ein Interview mit dem Komponisten Michel van der Aa von Mareike Winter im Auftrag der Aventis Foundation, die Uploadim Rahmen ihrer Förderreihe EXPERIMENTE#DIGITAL unterstützt.

Die Oper Upload beschäftigt sich einerseits mit sehr aktuellen Themen wie der Digitalisierung unseres Lebens oder künstlicher Intelligenz, andererseits geht es um eine der grundlegenden Fragen, die die Menschheit seit jeher beschäftigt: Was wäre, wenn wir ewig leben könnten? Wie ist diese Gedankenwelt entstanden?

Ich habe mich schon immer sehr für den Bereich zwischen Leben und Tod interessiert und habe bereits zwei Opern darüber geschrieben. In After Life (2005-06) – meiner ersten abendfüllenden Oper – müssen Menschen, die sterben, einen Moment aus ihrem Leben wählen, den sie daraufhin immer wieder aufs Neue erleben. In Sunken Garden (2011-12) ist der Bereich zwischen Himmel und Erde ein schlechter Ort. Es gibt eine böse Kraft, die die Menschen dort hält, als eine Art Batterie, um ihre Energie zu schöpfen.

Aber die Idee, mit der ich mich in dieser Oper beschäftige, Leben zu verlängern, ist eine sehr menschliche. Sie ist tief in uns allen verankert. Nur deshalb erfinden wir Medizin. In den letzten Jahren habe ich festgestellt, dass dieses Thema, mit dem sich lange Zeit hauptsächlich Futuristen und Science-Fiction-Autoren beschäftigten, mehr Respekt bei den regulären Wissenschaftlern fand. Sie fingen an zu fragen, was die ethischen Konsequenzen sein könnten. Wenn wir Menschen kopieren können, was sind dann die Rechte dieser Kopie? Selbst wenn es eine reale Kopie ist, hat dieses menschliche Wesen die gleichen Rechte wie der Mensch, von dem es kopiert wird? Gerade dieser Aspekt interessiert mich wirklich. Wenn man eine Kopie erstellt und diese Kopie sich selbst als Einheit entwickeln kann, ist sie dann noch menschlich? Und was macht uns menschlich? Brauchen wir einen Körper, um menschlich zu sein? Brauchen wir taktile Empfindungen, um menschlich zu sein? All diesen Fragen, mit denen wir uns in Upload beschäftigen, sind wir – die Dramaturgen (Madelon Kooijman und Niels Nuijten) und ich – bereits seit zwei Jahren nachgegangen. Wir haben eine Menge Material gesammelt und aus diesem Material das Libretto geschrieben.

Und wie werden diese Ideen visuell und musikalisch in Upload umgesetzt?

Zunächst einmal sind sie sehr stark in der Bildsprache der Oper verankert. In der Oper gibt es zwei Zeitachsen. Die eine Zeitlinie ist das „Jetzt“, wo wir auf den „Upload“ treffen: die Vaterfigur in der Oper, die jetzt eine digitale Version ist. Und wir treffen seine Tochter. Es stellt sich heraus, dass sie sich sehr nahestanden, aber seine Tochter wusste nie, dass ihr Vater sich hochladen ließ, um für immer an ihrer Seite zu sein, was zu großen Konflikten führt.

Die andere Geschichte ist eine Vorgeschichte, in der wir in die Schweiz zurückkehren, wo der Vater sich hochladen lassen wird. Diese Klinik ist ein Laboratorium, in dem auch die Musiker der Musikfabrik eine Rolle spielen werden. Sie befinden sich auf der Bühne, in dieser Klinik, und in einer der Szenen gibt es einen Moment, in dem die Klänge der Stimme des Sängers aufgenommen werden, weil der „Upload“ eine Stimme haben muss. Es gibt einen Wissenschaftler, der seine Stimme aufnimmt und ihn bittet, Vokale und Konsonanten zu erzeugen. Dies wird von einem der Musiker live aufgenommen und in der Komposition wiederverwendet. Es gibt also eine elektronische Schicht, die in Echtzeit entwickelt wird. Ich spiele viel mit dem Klang des Ensembles, dem Klang der Instrumente, erweitert durch die Elektronik. Man könnte sagen, dass dies eine Weg ist, eine digitale Kopie zu betrachten, ein digitales Alter Ego der akustischen Klänge der Instrumente. Ein Thema, das mich schon immer fasziniert hat und das ich in Upload sehr häufig benutze. Man könnte sagen, es ist eine hochgeladene Version des Ensembleklangs, mit dem die Musiker konfrontiert werden, die von innen kommt, aus ihrem eigenen Klang, auf den sie sich beziehen müssen.

Kannst du etwas mehr über die verwendete Technik erzählen?

Die Art und Weise, wie wir den Upload machen wollen, ist, dass der Sänger Roderick Williams den „Upload“ selbst live auf der Bühne ausführt. Wir entwickeln jetzt also eine Technologie, bei der wir eine Reihe von Kameras haben, die das Gesicht und den Körper des Sängers filmen, was mit sehr geringer Latenzzeit auf die Projektionsflächen übertragen wird. Wir sehen also eine digitale Version von ihm, die er fast wie ein Puppenspieler spielt. Und er singt live und synchron mit dem „Upload“. Der „Upload“ wiederum interagiert mit dem Ensemble, mit der Musik und mit der Tochter. Und auch andersherum. Die Tochter kann den Raum des „Uploads“ tatsächlich beeinflussen. Wenn sie mit ihrer Hand durch ihn hindurchfährt, sieht man, wie sich die Pixel seines Körpers bewegen. Wenn sie am Bildschirm vorbeiläuft, sieht man, wie der „Upload“ auf ihre Person reagiert. Es handelt sich also sehr wohl um eine Entität, die Teil der Inszenierung, des physischen Teils der Bühne ist. Wir sind mit dieser Technologie noch sehr in der Entwicklung.